TEXT 4:
bhaktau pravṛttir atra syāt taccikīrṣa suniścayā
śāstrāl lobhāt tac cikīrṣu syātāṁ tad adhikāriṇau
“Beschäftigung in der Bhakti nach Maßgabe der Schriften
bedeutet, dass man den ausschließlichen Wunsch hat, hingebungsvolle Praxis auszuführen.
Die beiden Arten von Kandidaten fūr Bhakti (vaidhi und
rāgānugā) beginnen aufgrund von zwei verschiedenen Gründen: Angst vor den
schriftlichen Anweisungen (der vidhi bhakta) und intensive Begierde (der
rāgānugā bhakta).”
Kṛpā-kaṇikā Vyākhyā:
Auf dem bhakti sādhana mārga gibt es keine Beachtung von
Qualifikation oder Unterscheidung zwischen verschiedenen Stufen der
Praktizierenden, so wie es auf den Pfaden des jñāna, karma und anderen sādhana
mārgas der Fall ist. Bhakti ist ein
sādhana Pfad, der von allen beschritten werden kann. Bhakti nützt allen,
ob mit gutem Betragen oder schlechtem Betragen, gelehrt oder unwissend,
angehaftet oder losgelöst. Da bhakti ein Pfad fūr jeden ist, gibt es keine Beschränkungen
fūr irgendjemanden ihn zu gehen. Der einzige Fakt, der verursacht, mit der
Praxis von bhakti zu beginnen, ist einfach der starke Wunsch, an den
verschiedenen Praktiken (kīrtana, japa, Meditation oder Festlichkeiten)
teilzuhaben. Dieser Wunsch kann durch zwei Gründe aufkommen. Einer ist Angst
vor den Anweisungen der Schriften, die beschreiben, dass alle Lebewesen den
Herrn verehren sollten. So beginnt man
bhakti aus Angst, denn sonst gibt es bestimmte Schwierigkeiten. Der
andere entsteht, wenn man aus den Schriften von der großartigen Liebe der
ewigen Gefährten des Herrn hört, und aus heiliger Begierde heraus beginnt man
sich bhajana zu wünschen. Das sind die zwei Kandidaten fūr bhakti. Śrīmat Rūpa
Gosvāmī hat Definitionen fūr beide gegeben. Die Definition fūr den Kandidaten
des vaidhi mārgas ist wie folgt:
yaḥ kenāpyati bhāgyena jāta śraddho'sya sevane
nātisakto na vairāgya bhāgasyām adhikāryasau
(Bhakti Rasāmṛta Sindhu 1.2.14)
“Wenn jemand durch die Gemeinschaft mit Heiligen und
durch unfassbares Glück Glauben und Zuneigung zum Dienst fūr Kṛṣṇa (bhakti
mārga) entwickelt hat, aber noch keine feste Anhaftung zum Herrn, aber doch
etwas Loslösung von körperlichen Anhaftungen hat, dann ist solch eine Person
geeignet sādhana bhakti auszuführen.“
Der Kandidat fūr rāgānugā wird wie folgt beschrieben:
rāgātmikaika niṣṭhā ye vrajavāsi janādayaḥ
teṣāṁ bhāvāptaye lubdho bhaved atrādhikāravān
(Bhakti Rasāmṛta Sindhu 1.2.291)
“Jemand, der einfach begierig nach unverfälschter,
ekstatischer rāgātmikā bhakti-Liebe zu Kṛṣṇa - in der Art der Vrajavāsīs - ist,
ist ein geeigneter Kandidat fūr rāgānugā bhakti.”
Der Unterschied zwischen den Kandidaten fūr vaidhi und
rāgānugā bhakti ist der, dass die Befähigung zu vaidhi bhakti durch 'śraddhā'
(faith) verursacht wird und die von rāgānugā bhakti durch 'lobha' (heilige
Begierde). Der Kandidat fūr vaidhi bhakti schreitet schrittweise in seinem
sādhana voran, indem er Glauben in die Aussagen der Schriften behält. So
entwickelt sich ruci, als Resultat einer ehrfurchtsvollen Haltung dem Herrn gegenüber,
die mit śraddhā kombiniert ist. Aber ruci bleibt ein zweitrangiger Faktor und
sein bhajana basiert hauptsächlich auf śraddhā. Und die Kandidaten fūr rāgānugā
bhakti entwickeln Begierde nach dem Vorbild der süßen Gefühle der nitya siddha
Vrajavāsīs. Ihr ruci sādhana entwickelt sich langsam und trifft auf tiefen
Glauben (śraddhā); aber hier bleibt śraddhā der zweitrangige Faktor und ruci
der erstrangige. Er führt einen bhajana aus, der die Form von śraddhā hat, in
dem ruci erstrangig ist. Dies ist definitiv unterschiedlich von der Art des
śraddhā, die vaidhi bhakti hervorruft, und ist auch viel kraftvoller, weil die
Vertiefung, die rāgānugā bhakti im Bewusstsein verursacht, niemals absichtlich
stattfindet, da ruci eine innewohnende Funktion des Herzens ist. Das ist der
Unterschied zwischen Befähigung fūr vaidhi und rāgānugā bhakti. Dennoch gibt es
keinen Unterschied in der Ausführung von Hingabe oder bhajana selbst. Mit
anderen Worten, alle Bestandteile, die als Bestandteile fūr vaidhi bhakti
genannt werden, wie Hören und Chanten, werden ebenso in rāgānugā bhakti (der
Autor wird dies später noch beschreiben) praktiziert. (4)